Provision statt Beratung - wie Banken falsch beraten
m€x das marktmagazin (hr)

Eigentlich wollte sie nur ihren Freistellungsantrag verändern, doch dann redete die Anlageberaterin ihrer Bank so schnell und vehement auf Christel Knak ein, dass sie ihr Sparguthaben in Aktienfonds anlegte. Von Risiko, sagt sie, habe die Beraterin nichts gesagt. Als die Bank die ersten Berichte des Fonds kurz danach schickte, waren die Papiere schon weniger wert.

Ein Drittel der Ersparnisse weg

Zwei Jahre später verkaufte Christel Knak völlig entnervt die Fonds, die sie nie hatte erwerben wollen, mit über 3.000 Euro Verlust. Gut ein Drittel des Ersparten war weg.

„Chance“ = „Risiko“

So wie Frau Knak geht es offensichtlich vielen, gerade älteren Menschen. Sie kennen sich nicht aus in der schön klingenden Finanzanlagewelt. Viele haben noch nie Aktien gekauft und wollen das auch nicht. Wer weiß schon, dass das Wort „Chance“ auf dem Katalog letztendlich „Risiko“ bedeutet. So fallen sie schnell auf skrupellose Bankmitarbeiter herein.

Wer verkauft verdient

Ein ehemaliger Finanzberater der Deutschen Bank war bereit mit uns zu reden. Er trat in der Filiale als ganz normaler Bankberater auf, arbeitete aber freiberuflich. Das bedeutet, er verdiente nur Geld, wenn er verkaufte. Und so wollen viele freiberufliche Finanzberater möglichst viel Umsatz machen. Das Risiko trägt der Kunde. Denn an einem Aktienfonds verdient der Berater mehr als an einem verkauften Sparbrief. All dies ist gängige Praxis in fast allen deutschen Banken.

Keine Zeugen

Wer sich gegen die Bank wehren will, steht vor großen Problemen. Wie will er beweisen, dass die Bank ihrer Beratungspflicht, gerade in bezug auf das Risiko von Aktiengeschäften, nicht nachgekommen ist? Normalerweise führt man diese Gespräche alleine mit seinem Anlageberater. Das bedeutet im Streitfall aber: keine Zeugen, denn die Bankangestellten behaupten hinterher immer, es sei alles korrekt verlaufen.

Urteil macht Mut

Vor drei Monaten gab es jedoch ein Gerichtsurteil, dass vielen Geschädigten Mut macht. Da verurteilte das Landgericht Mannheim die Deutsche Bank einer Kundin 150.000 Euro Schadensersatz zu zahlen. Der Vorwurf: die Bank habe die Kundin gedrängt, festverzinsliche Anlagen zu verkaufen und das Geld in Aktienfonds anzulegen. Als dann die Börse einbrach, fielen die Fonds ebenfalls in den Keller. Dabei hatte die Kundin der Bank bereits vorher schriftlich erklärt, dass sie auf ein hohes Sicherheitsgefühl wert lege und ihren Lebensunterhalt aus den Zinszahlungen bestreite.

Hoffnung für Geschädigte

So hoffen viele alten Menschen, die sich um ihre Ersparnisse gebracht sehen, dass die Gerichte ihre Lebensumstände als Beleg dafür nehmen, dass sie nie spekulieren wollten und einfach nicht wussten, was ihnen die Bank da aufschwatzte.


Mex vom 10.April 2003