Hoffnung für geprellte Käufer von Schrottimmobilien

Welt am Sonntag

Europäischer Gerichtshof soll entscheiden

Heidelberg – Zehntausende geprellte Immobilienbesitzer können auf rechtlichen Beistand hoffen: In den 90er Jahren ließen sich viele Bürger von dubiosen Vermittlern bei Hausbesuchen angeblich steuersparende Schrottimmobilien aufschwatzen. Nun hat das Landgericht Bochum dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen Fall vorgelegt, der dazu führen könnte, dass die Anleger die wertlosen und zum Teil sogar weiter kostspieligen Immobilien zurückgeben können.

In den Fachkanzleien häufen sich Fälle wie jeder der inzwischen 69-jährigen Rentnerin Louise Weber, die 1994 Opfer eines Anlagevermittlers wurde. Der Steuerberater hatte zu einem Termin, der eigentlich zur Besprechung der Einkommenssteuererklärung der Schneiderin dienen sollte, überraschend einen Immobilienverkäufer mitgebracht. Der Berater nutzte die Situation aus und schwatzte der damals 60-Jährigen eine Eigentumswohnung als Steuersparmodell zum Zwecke der Altersvorsorge auf. Bei einer zusätzlichen Belastung von nur 20 Euro im Monat sollte die Wohnung zu erwerben sein, weil der Kredit für den Kauf durch die Mieteinnahmen und Steuerersparnisse abbezahlt würde.

Die überrumpelte Frau unterschrieb einen Kauf- und Kreditvertragsabschluss und es kam wie es kommen musste: Die Wohnung stellte sich im nachhinein als völlig wertlos heraus: Die Rentnerin muss monatlich 510 Euro Zinsen zahlen, erhält aber nur 120 Euro Miete, von denen sie rund 100 Euro für Nebenkosten an die Hausverwaltung zahlen muss. Die Unterdeckung beträgt damit rund 490 Euro; doch die alte Dame hat außer ihrer Rente in Höhe von 900 Euro kein weiteres Einkommen und sitzt nun auf einem Schuldenberg.

Dass Immobilienkäufer wie Louise Weber die Verträge mit Berufung auf das Haustürwiderrufsgesetz zwischenzeitlich anfechten können, hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon im Dezember 2001 entschieden. Die Luxemburger Richter forderten damals, dass geprellte Bürger aus „allen vertraglichen Verpflichtungen“ zu befreien sind. Doch daran hielt sich der für Bankenrecht zuständige 11. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht. Er entschied im November 2002, dass der Kunde zwar den Kreditvertrag widerrufen kann, dann aber das Darlehen sofort und in voller Höhe einschließlich der marktüblichen Verzinsung zurückbezahlen muss.

„Damit wurde das dem Verbraucher vom EuGH eingeräumte Widerrufsrecht vom BGH wirtschaftlich auf Null reduziert. Dabei widerspricht eine Rückzahlungsverpflichtung – gleich aus welchem Rechtsgrund – dem europäischen Verbraucherschutz“, sagt Jörg Ebenrecht von der Heidelberger Anwaltskanzlei Bornemann, von Loeben, Witt, Nittel. „Sollten die Luxemburger Richter zu dem Ergebnis kommen, dass die geprellten Anleger anstatt der Darlehen die Schrottimmobilien zurückgeben können, dann kommen auf die Banken schwere Zeiten zu“, betont er.

Die Richter in Bochum sehen in dem BGH-Urteil eine Missachtung der Vorgaben aus Luxemburg. Sie sind der Auffassung, dass Immobilienverkauf und Immobilienfinanzierung bei derartigen steuersparenden Anlagepaketen als Einheit zu betrachten sind. Daher dürfen die Banken bei einem Widerruf des Kreditvertrages nicht das Geld zurückfordern, sondern müssten die Wohnung übernehmen.

Die Bochumer Richter stellten ihre Fragen an Luxemburg so, dass der EuGH Gelegenheit erhält, sich umfassend mit den Fragen des Verbraucherschutzes und der Wirksamkeit der von ihm aufgestellten Grundsätze des Effektivitätsgebotes auseinanderzusetzen. AFP


Welt am Sonntag, 07.08.2003